Pressemitteilung vom 25.06.2025

Nach Eskalation bei gewaltsamer Abschiebung: Afghanische Familie stellt Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Stadt Köln

Gemeinsame Presseerklärung des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche in NRW e.V. und des Abschiebungsreportings NRW

[Köln] Nach einer Gewalteskalation im Rahmen eines Abschiebungsversuch haben eine afghanische Frau und ihre minderjährige Tochter am Dienstag, den 24.06.2025, Strafanzeige gegen Mitarbeiter:innen der kommunalen Ausländerbehörde Köln wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung gestellt.

Die Ausländerbehörde Köln wollte die fünfköpfige Familie, die 2024 nach Deutschland geflüchtet war, in den frühen Morgenstunden des 13.05.2025 aus einer Kölner Sammelunterkunft nach Spanien abschieben. Grund hierfür ist die europäische Dublin-Verordnung, nach der Asylverfahren im jeweiligen Erstzufluchtland in der EU durchgeführt werden sollen.

Bei dem Versuch, die Abschiebung zu vollziehen, gingen Mitarbeiter:innen der Ausländerbehörde gewaltsam gegen die schwer kranke Mutter und ihre zwölfjährige Tochter vor. Infolge des Einwirkens der Beamt:innen, die die beiden auf den Boden drückten und fixierten, trugen sowohl die Frau als auch das Mädchen schwere Hämatome im Brustbereich davon. Ein gerufener Rettungswagen wurde von den Beamt:innen nicht vorgelassen. Die Mutter der fünfköpfigen Familie musste anschließend in einem Krankenhaus akut ärztlich behandelt werden. Der ebenfalls anwesende neunjährige Sohn der Familie äußerte angesichts dessen akute Suizidgedanken, woraufhin die Ausländerbehörde selbst das Kölner Jugendamt involvierte. Der Vater und der älteste Sohn der Familie waren zum Zeitpunkt des unangekündigten Abschiebungsversuchs gar nicht in der Unterkunft. Obwohl Familientrennungen bei Abschiebungen laut der Leitlinie Kindeswohlaspekte der Stadt Köln eigentlich vermieden werden sollen, wurde der Familienvater jedoch bei nächster Gelegenheit durch die Ausländerbehörde der Stadt Köln festgenommen und nach richterlicher Anordnung allein in Abschiebungshaft genommen.

Um die Familie vor inhumanen Härten durch einen erneuten Abschiebungsversuch zu schützen und eine drohende Retraumatisierung zu verhindern, wurde ihr seit dem 21.05.2025 in einer Kölner Kirchengemeinde Kirchenasyl gewährt. Nach dem Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren wurde das Kirchenasyl am 03.06.2025 erfolgreich beendet und der Vater der Familie aus der Abschiebungshaft entlassen. Derzeit läuft das Asylverfahren der fünfköpfigen Familie.

Die stellvertretende Vorsitzende des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche in NRW e.V., Marianne Arndt, hat die Familie seit Mitte Mai 2025 begleitet. Ihr ausführlicher Bericht über den gescheiterten Abschiebungsversuch vom 13.05.2025 liegt dieser Pressemitteilung bei.

Dr. Jan Niklas Collet, Vorstandsvorsitzender des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche in NRW e.V., kritisiert: „Das Vorgehen der Ausländerbehörde in diesem Fall ist zutiefst erschütternd und die alleinige Inhaftierung des Familienvaters trotz der geäußerten Suizidgedanken des minderjährigen Sohnes skandalös. Offenbar fühlen sich Mitarbeiter:innen der Ausländerbehörde nicht einmal mehr an die eigenen internen Richtlinien zur Wahrung des Kindeswohls gebunden. Wir widersprechen dieser Eskalation ausdrücklich. Unser Dank gilt der kirchenasylgewährenden Gemeinde, die der Familie den dringend notwendigen Schutz vor einer weiteren inhumanen Behandlung gewährt hat.“

Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW begrüßt, dass die Familie sich zum Schritt einer Strafanzeige entschlossen hat: „Viel zu oft wird übersehen, dass 18 Prozent aller Abschiebungen in Deutschland Minderjährige betreffen. Sie sind von der Gewalt, die dabei ausgeübt wird, direkt betroffen. Das Vorgehen der Ausländerbehörde Köln zeigt das Ausmaß restriktiven Vorgehens bei Abschiebungen, die offenbar um jeden Preis durchgesetzt werden sollen. Die Gewalt gegen die Mutter der Familie und ihre minderjährige Tochter ist erschütternd und kann unter keinen Umständen toleriert werden. Eine gründliche Aufarbeitung des Abschiebungsversuchs durch die Stadt Köln ist unerlässlich. Landesweit beobachten wir, dass immer wieder einzelne Elternteile minderjähriger Kinder – wie hier – allein in Abschiebehaft genommen werden, um die Gesamtfamilie unter Druck zu setzen. Dies ist nicht hinnehmbar und verstößt gegen kinderrechtliche Verpflichtungen Deutschlands.“

 

Anlage
Marianne Arndt, Bericht zur Abschiebesituation einer fünfköpfigen afghanischen Familie aus der Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen der Stadt Köln in der Herkulesstraße in Köln Neuehrenfeld, 23.06.2025
Der Bericht kann hier abgerufen werden.

Mehr
Mit der Leitlinie Kindeswohlaspekte verpflichtet sich die Stadt Köln selbst, Kindeswohlaspekte bei der Prüfung von Bleibeperspektiven und insbesondere im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu berücksichtigen. Hintergrund der Kölner Leitlinie waren gravierende Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen in Köln in den Jahren 2021 und 2022, die in den kommunalpolitischen Gremien aufgearbeitet worden sind.

Pressekontakte

Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche NRW:

·      Dr. Jan Niklas Collet, 0155-66346516, nrw (at) kirchenasyl.de

·      Marianne Arndt, 0177 6538567, ma.arndt (at) mailbox.org

Abschiebungsreporting NRW:

·      Sebastian Rose, 0221 972 69 32, 01575 40 35 862, rose (at) abschiebungsreporting.de

 
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